Rückenschmerzen bei Kindern gehören zu den häufigsten Beschwerden im Kindesalter. Bereits fast 60 Prozent aller 11- bis 14-jährigen klagen darüber. Bei näherer Betrachtung wären die meisten Fälle jedoch vermeidb
Rückenschmerzen bei Kindern: Vom Einzelfall zum Massenphänomen
Noch vor fünfzig Jahren traten Rückenschmerzen bei Kindern wesentlich seltener auf und waren meist Symptome einer Sportverletzung oder angeborener Krankheiten. Die Hauptursachen für das massenhafte Auftreten von Rückenschmerzen im Kindesalter sehen Kinderärzte in einem Mangel an Bewegung und Übergewicht.
Veränderte Lebensgewohnheiten führen zu Rückenschmerzen bei Kindern
Während ihre Eltern noch zu Fuß zur Schule gingen und sich nachmittags auf dem Bolz- oder Spielplatz trafen, verbringen Kinder heute den größten Teil ihrer Freizeit vor einem Bildschirm oder dem Display ihres Smartphones. Zur Schule werden sie gefahren und wenn die Zeit nicht reicht, um zu kochen, kommen Pizza und Pommes auf den Tisch.
Die Folgen dieser veränderten Gewohnheiten sind dramatisch: Immer mehr Kinder leiden unter krankhaftem Übergewicht (Adipositas) :
- neun Prozent der 3- bis 6-Jährigen
- 15 Prozent der 7- bis 10-Jährigen
- 17 Prozent der 14- bis 17-Jährigen
Ursachen für Rückenschmerzen bei Kindern: Bewegungsmangel und Schulstress
Rückenschmerzen im Kindesalter haben verschiedene Ursachen, sodass es auch mehrere Möglichkeiten gibt, diese zu behandeln oder präventiv zu vermeiden:
- Bewegungsmangel
- Schulstress
- seelische Ursachen
- Mangelerscheinungen und Medikamente
- ernsthafte körperliche Erkrankungen
Bewegungsmangel führt zu Rückenschmerzen bei Kindern
Durchschnittlich gehen Kinder laut einer Forsa-Studie nur noch eine Strecke von 900 Metern täglich. Für eine gesunde körperliche Entwicklung wäre jedoch ein tägliches Laufpensum von vier bis fünf Kilometern erstrebenswert. Stattdessen sitzen Kinder im Durchschnitt vier Stunden vor dem Bildschirm, Monitor, Tablet oder Smartphone.
Bewegen sich Kinder zu wenig, wird die Muskulatur zu schwach ausgebildet und es entsteht eine Anfälligkeit für Rückenschmerzen. In diesen Fällen leiden Kinder öfter unter Schmerzen und sind zudem anfälliger dafür, sich beim Sport oder Toben Verletzungen der Wirbel und Knochen zuzuziehen.
Schulstress: Weiterer Risikofaktor für Rückenschmerzen bei Kindern
Kinderärzte vermuten außerdem einen Zusammenhang von Rückenschmerzen und wachsendem Schulstress. Durch das verkürzte Abitur müssen Kinder täglich mehr Stunden in der Schule verbringen. Daraus resultiert eine Verkürzung der Freizeit und damit weniger Möglichkeiten, Sport zu treiben und sich zu entspannen.
Darüber hinaus schleppen bereits Grundschüler schwere Schulranzen, in denen Schulbücher und Proviant für den Schultag in der Ganztagsschule untergebracht werden. Die Kinderärzte raten den Eltern bei der Auswahl des Schulranzens auf ergonomische Faktoren zu achten und regelmäßig zu überprüfen, ob der Ranzen überladen ist.
Kinder sollten zuhause einen Arbeitsplatz zur Verfügung haben, der ergonomisch auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. Mit einem Schreibtisch und einem Schreibtischstuhl in der richtigen Höhe und guter Qualität kann man Rückenschmerzen effektiv vorbeugen.
Seelische Ursachen für Rückenschmerzen bei Kindern
Es ist bereits seit längerem bekannt, dass seelische Probleme zu Muskelverspannungen und somit zu Rückenschmerzen führen. Der für Erwachsene festgestellte Zusammenhang lässt sich auch auf Kinder übertragen. Kinderärzte vermuten, dass besonders chronische Rückenschmerzen häufig eher seelische als körperliche Ursachen haben.
Angst davor, in der Schule zu versagen, Mobbing oder familiäre Probleme führen zu Spannungskopfschmerzen, aber auch zu Spannungsrückenschmerzen bei den Betroffenen.
Eltern können sich bei folgenden Stellen beraten und helfen lassen:
BApK – Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V.
Oppelner Str. 130
D-53119 Bonn
Telefon: (0228) 710 024-00
Fax: (0228) 710 024-29
Mail: bapk(at)psychiatrie.deKinder- und Jugendpsychiater im Netz
Monks – Ärzte im Netz GmbH
Tegernseer Landstraße 138
81539 München
Telefon: +49 (89) – 64 24 82 – 12
Fax: +49 (89) 64 20 95 29
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Mangelerscheinungen und Medikamente als Ursache für Rückenschmerzen bei Kindern
Einseitige Ernährung kann ebenfalls dazu führen, dass ein Kind unter Rückenschmerzen leidet. Diese Schmerzen werden dann meist von Muskelkrämpfen verursacht. Magnesiummangel ist der häufigste Grund für diese Art von Rückenschmerzen. Eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Obst, Gemüse und Milchprodukten gleicht den Mangel aus.
Wenn Antibiotika oder andere Medikamente den Muskelstoffwechsel stören, kann dies ebenfalls dazu führen, dass das Kind unter Rückenschmerzen klagt. Auch in diesen Fällen hilft das Auffüllen des Magnesiumspeichers dabei, das Kind von seinen Beschwerden zu befreien.
Rückenschmerzen können eine Nebenwirkung der Einnahme von Steroiden sein, die Asthmatikern verschrieben werden. In diesen Fällen kommt es zu einem Abbau der Knochensubstanz, was im schlimmsten Fall zu einem Bruch eines Wirbelkörpers führt.
Ernsthafte körperliche Erkrankungen verursachen Rückenschmerzen
Neben den obigen Ursachen können ernsthafte Erkrankungen hinter den Beschwerden stecken. Es bedarf einer sorgfältigen Diagnostik, um abzuklären, wo genau die Ursache liegt. Ist es gelungen, die Erkrankung zu diagnostizieren, kann eine geeignete Therapie eingeleitet werden.
Es gibt verschiedene Erkrankungen, die Rückenschmerzen zur Folge haben:
- Skoliose oder Morbus Scheuermann
- Erkrankungen der Bandscheiben
- Infektionen
- rheumatische Erkrankungen
- Rachitis
- Spinalkanalstenose
Morbus Scheuermann führt zu einer Wachstumsstörung, durch die sich die Wirbelsäule im Bereich der Brust- oder Lendenwirbel verkrümmt. Bei einer Skoliose ist die Wirbelsäule seitlich verkrümmt. Beide Erkrankungen sind am besten behandelbar, wenn sie rechtzeitig erkannt werden. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig mit der Diagnostik zu beginnen, wenn ein Kind immer wieder unter Rückenschmerzen leidet.
Erkrankungen der Bandscheiben sind bei Kindern eher selten und meist Folge eines Unfalls oder starker Überlastung beim Sport. Bei sehr kleinen Kindern kann hinter den Rückenschmerzen eine bakterielle Infektion an der Wirbelsäule stecken. Im späteren Kindesalter treten auch Entzündungen auf, die mit der Magnetresonanztomographie (MRT) diagnostiziert werden. Des Weiteren müssen bei der Diagnose rheumatische Erkrankungen in Erwägung gezogen werden.
Rachitis entsteht durch einen Mangel an Vitamin D und ist sehr selten, da heutzutage Babys und Kleinkinder prophylaktisch mit Vitamin D versorgt werden. Leidet das Kind jedoch an einer Darmerkrankung, kann es zu einem Vitamin D-Mangel kommen, der zur Folge hat, dass das Wachstum der Knochen gestört wird und es zu Verformungen des Rückgrats kommt.
Video: ? Gefahr im Rücken ➡️ So zerstört die Schule den Rücken unserer Kinder!
Spinalkanalstenose bei Kindern
Bei dieser Erkrankung ist der Spinalkanal im Rückgrat verengt. Meist sind ältere Patienten aufgrund degenerativer Veränderungen im Bereich der Wirbel betroffen. In seltenen Fällen ist die Krankheit jedoch angeboren und kann je nach Schwere der Fehlbildung schon im Kindesalter Beschwerden verursachen.
Symptome sind Rückenschmerzen, die in schweren Fällen bis in die Extremitäten ausstrahlen und in den Armen und Beinen Kribbeln und Schmerzen verursachen. Mit Hilfe minimalinvasiver Operationstechniken ist es möglich, die verengte Stelle zu weiten.
Welche Maßnahmen helfen gegen Rückenschmerzen bei Kindern?
Rückenschmerzen sind sehr belastend, denn sie schränken die Bewegungsmöglichkeiten ein und hemmen den natürlichen Drang des Kindes, sich zu bewegen. Nachdem eine gründliche Diagnostik die Ursache festgestellt hat, kann eine eventuell vorhandene Erkrankung behandelt werden.
In den meisten Fällen steckt jedoch keine Krankheit hinter den Rückenschmerzen, sondern Lebensgewohnheiten, die dem Rücken schaden und deshalb geändert werden müssen. Bei konsequenter Veränderung ungünstiger Gewohnheiten werden die Rückenschmerzen verschwinden und es wird außerdem dafür gesorgt, dass das weitere Knochenwachstum unterstützt wird.
Die Therapie gegen Rückenschmerzen bei Kindern fußt auf drei Säulen:
- 1. Physio- und Trainingstherapie zum Abbau körperlicher Defizite
- 2. Abbau von seelischen Belastungen
- 3. Information über rückengesundes Verhalten
1. Physio- und Trainingstherapie zum Abbau körperlicher Defizite
Mangel an Bewegung und einseitige Be- sowie Überlastungen sind die Hauptursachen für Rückenschmerzen im Kindesalter. Mit gezielten Übungen kann die Rückenmuskulatur einerseits gekräftigt und andererseits entspannt werden. Krankenkassen bieten Rückenschulen an, in denen die Kinder nicht nur gezielte Übungen durchführen, sondern auch Tipps bekommen, wie sie in Zukunft Rückenbeschwerden vermeiden können.
Dehnübungen nach stundenlangem Sitzen in der Schule oder vor dem Bildschirm und die Vermeidung von Haltungsschäden durch unnatürlich gekrümmte Haltungen helfen dabei, Kinder von Rückenbeschwerden zu befreien. Auch die Anmeldung im Sportverein ist eine gute Möglichkeit, mehr Bewegung ins Leben des Kindes zu bringen.
Die Integration von Sport und Bewegung im Alltag ist extrem wichtig. Studien zeigen, dass Kinder, die unter Bewegungsmangel und Rückenschmerzen leiden, auch als Erwachsene häufiger mit chronischen Rückenbeschwerden kämpfen. Sport in der Kindheit ist die beste Präventionsmaßnahme gegen Rückenschmerzen und Übergewicht im Erwachsenenalter. Wie wichtig das ist zeigt eine Studie der TK: Pro Jahr werden 60 Millionen Fehltage in Deutschland durch Rückenschmerzen verursacht.
2. Abbau von seelischen Belastungen
Leidet das Kind an Schulangst oder anderen Sorgen, kann eine psychologische Betreuung helfen, die Probleme zu beheben. Eltern sollten bei wiederholtem Klagen über Rückenschmerzen auch seelische Ursachen in Erwägung ziehen. Häufig trauen sich Kinder nicht, ihren Eltern einzugestehen, dass sie gemobbt werden oder sich auf dem Gymnasium völlig überfordert fühlen.
3. Information über rückengesundes Verhalten
Eltern sollten darauf achten, dass die Umgebung ihres Kindes ergonomisch gestaltet ist. Neben dem Arbeitsplatz, an dem das Kind seine Hausaufgaben erledigt, sorgt eine rückenschonende Matratze dafür, Rückenschmerzen zu vermeiden.
Ein wichtiger Punkt betrifft den Schulranzen. Coole Taschen, die über der Schulter getragen werden und völlig überladene Ranzen, die noch dazu viel zu tief hängen, sind einer der Hauptgründe für Rückenschmerzen. Schulkinder sollten zwar hinsichtlich des Designs mitentscheiden dürfen, im Hinblick auf die Ergonomie haben jedoch die Eltern das letzte Wort bei der Auswahl des Ranzens.
Ist das Kind übergewichtig, kann eine Ernährungsberatung und das gemeinsame Umstellen der Essgewohnheiten der Familie dazu beitragen, das Übergewicht abzubauen. In vielen Fällen verschwinden die Rückenschmerzen bei den Betroffenen dann ganz von selbst.
Rückenschmerzen bei Kindern: Größte Gefahr für die Kindergesundheit
Ungesunde Ernährung, Mangel an Bewegung und übermäßiger Medienkonsum prägen den Alltag vieler Kinder und verursachen bereits im Kindesalter Beschwerden, unter denen die Kinder dann ihr ganzes Leben lang leiden.
Damit junge Menschen gesund aufwachsen, müssen Schule und Elternhaus zusammenarbeiten. Es gilt, jeden Tag Bewegungsanreize zu setzen, mehr Schulsport anzubieten und Ernährungs- sowie Gesundheitslehre fest im Lehrplan aller Altersstufen zu integrieren.
Ein wichtiger Ansatzpunkt ist außerdem die Schulung der Medienkompetenz. Die zunehmende Digitalisierung aller Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft erfordert es, dass den Kindern die entsprechenden Kompetenzen im Umgang mit den Medien vermittelt werden. In dieser Hinsicht hinken Eltern und Schule der rasanten technischen Entwicklung hinterher.
Es ist unrealistisch PC, Notebook und Smartphone aus dem Kinderzimmer zu verbannen. Ob Kinder dennoch zu gesunden Erwachsenen heranwachsen, hängt davon ab, dass es den Eltern gelingt, Bewegung ins Kinderleben zu bringen.
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